NKG-Indikator: Kein einziges Krankenhaus erwartet positive wirtschaftliche Entwicklung in 2023

Hannover 06.01.2023

Die wirtschaftliche Situation der Kliniken in Niedersachsen ist so schlecht wie nie zuvor. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) hervor, an der sich 123 der insgesamt 167 Kliniken im Land beteiligt haben. Für das Jahr 2023 rechnen die Krankenhäuser mit einer weiteren und massiven Verschlechterung ihrer Lage. Kein einziges Krankenhaus erwartet im Jahr 2023 eine positive wirtschaftliche Entwicklung.

Die Ergebnisse des NKG-Indikators belegen die schwierigste wirtschaftliche Situation seit Beginn der NKG-Umfragen im Jahr 2010. Wesentliche Gründe für die Entwicklung sind anhaltende Belastungen und Leistungsrückgänge durch die Corona-Pandemie sowie der immer noch geltende Preisdeckel bei den Krankenhausvergütungen trotz gleichzeitig massiver Kostensteigerungen infolge der allgemein hohen Inflation und explodierender Energiepreise. Die Ergebnisse für das zurückliegende Jahr 2022 zeigen, dass vier von fünf Kliniken (81,5 %) in Niedersachsen in ihrer Existenz bedroht sind.

„Die Krankenhäuser in Niedersachsen befinden sich in einer existenziellen Krise. Selbst Kliniken, die seit Jahrzehnten stets wirtschaftlich gesund waren, geraten aktuell in eine dramatische finanzielle Schieflage. Angesichts der vorliegenden Zahlen sollten bei den politisch Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene alle Alarmglocken schrillen. Die aktuellen gesamtwirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen stehen einem auskömmlichen Betrieb der Krankenhäuser fundamental entgegen. Die wirtschaftliche Existenz und damit der Fortbestand nahezu aller Krankenhäuser ist substanziell gefährdet. Dies geht mit erheblichen Risiken für die Sicherstellung der flächendeckenden stationären Versorgung einher. Die Krankenhäuser benötigen sofortige und wirksame Unterstützung“, betont Dr. Hans-Heinrich Aldag, Vorsitzender der NKG.

Die angekündigten Hilfen in Höhe von bundesweit 6 Milliarden Euro werden die Lage in den Krankenhäusern nicht entscheidend verbessern. 4,5 Milliarden Euro sind zum Ausgleich für die steigenden Energiepreise und 1,5 Milliarden Euro für inflationsbedingte Kostensteigerungen vorgesehen. Der Bedarf in den Krankenhäusern ist mit Blick auf die Größenordnungen jedoch genau umgekehrt. „Die Kliniken laufen Gefahr, auf massiven Inflationslasten sitzen zu bleiben“, warnt Dr. Aldag. Auf die Umsetzung der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigten Krankenhausstrukturreform zu warten, ist dem NKG-Vorsitzenden zufolge keine Option. Bis dahin werden viele Kliniken längst in die Insolvenz gegangen sein.

Denn im Gegensatz zu anderen Branchen können und dürfen Krankenhäuser die aktuell massiven Kostensteigerungen für Energie, medizinische Produkte, Medikamente sowie Lebensmittel und viele weitere Dienstleistungen nicht über höhere Preise ausgleichen. Das sieht das starre System der Krankenhausfinanzierung nicht vor.

„Bevor der von allen Seiten gewünschte Strukturwandel planvoll und systematisch umgesetzt werden kann, muss zunächst die völlig marode Finanzierungsbasis korrigiert werden“, betont Dr. Aldag. „Die aktuell geplante Umverteilung des Mangels wird zu keiner Verbesserung führen, sondern die Lage nur verschlimmern.“

87,6 % der befragten Krankenhäuser geben an, dass sie im Jahr 2022 mit deutlichen Preissteigerungen der Sachkosten zu kämpfen hatten. Gegenüber 2021 beträgt die Preissteigerung bei den Sachkosten durchschnittlich 10,8 %. Zum Teil geben Krankenhäuser an, von Sachkostensteigerungen gegenüber dem Vorjahr von bis zu 30 % betroffen zu sein. Für Gas und Brennstoffe geben die Krankenhäuser durchschnittliche Preissteigerungen im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr in Höhe von 67 % an, gefolgt von 43 % höheren Strompreisen. Die Preise für Lebensmittel stiegen nach Angaben der Krankenhäuser durchschnittlich um 12 %. Für den energieintensiven Bereich Wäscherei und den medizinischen Bedarf gaben die Kliniken jeweils 10 %. höhere Preise an. Bei Medikamenten verzeichneten die Krankenhäuser im Schnitt 8 % höhere Preise gegenüber dem Vorjahr.

„Infolge dieser enormen Preissteigerungen geraten die Kliniken zunehmend in Zahlungsschwierigkeiten, da ihnen die Mehrkosten aufgrund von gedeckelten Budgets nicht finanziert werden. Vordringliche Aufgabe der Politik in den kommenden Wochen und Monaten muss es deshalb sein, Insolvenzen von Krankenhäusern zu verhindern. Nur vorhandene Kliniken können bei einer künftigen Strukturreform überhaupt berücksichtigt und in ein Gesamtkonzept mit dem Ziel einer bestmöglichen Versorgung der Bevölkerung eingebunden werden“, unterstreicht NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke.

Wie aus dem NKG-Indikator hervorgeht, hat auch die Corona-Pandemie enorme wirtschaftliche Probleme in den Krankenhäusern verursacht. Neben der anhaltenden Belastung des pflegerischen und medizinischen Personals verzeichnen die Kliniken infolge der Pandemie nach wie vor eine deutliche Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation. 85,7 % der befragten Krankenhäuser geben an, dass sich ihre wirtschaftliche Lage im Jahr 2022 aufgrund der Corona-Pandemie verschlechtert hat. Die staatlichen Hilfsmaßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Pandemielasten waren aus Sicht der Krankenhäuser ungenügend. 93 % der Krankenhäuser halten die von der Bundesregierung mit dem Corona-Rettungsschirm 2022 auf den Weg gebrachten Maßnahmen für unzureichend.

Ein elementares und wiederkehrendes Problem für die Krankenhäuser im Verlauf der Corona-Pandemie sind die hohen Personalausfälle. Sowohl mit Blick auf die unmittelbar zur Verfügung stehenden Kapazitäten und die Patientenversorgung als auch hinsichtlich der leistungsbezogenen Krankenhausfinanzierung stellen diese eine massive Herausforderung dar. Nahezu alle Krankenhäuser (99,1 %) in Niedersachsen geben an, im Jahr 2022 pandemiebedingte Personalausfälle verzeichnet zu haben. Die Personalausfälle sind mit erheblichen Auswirkungen auf den Krankenhausbetrieb verbunden. So geben 87 % der befragten Krankenhäuser an, infolge des Personalausfalls eine Reduktion der Betten vorgenommen zu haben. Zu einer Schließung ganzer Stationen waren wegen des fehlenden Personals 60,4 % der Krankenhäuser gezwungen. Zu einer Verschiebung von Operationen und Behandlungen kam es in 79,4 % der niedersächsischen Krankenhäuser. Die dadurch bedingten Erlösverluste verschärfen die bestehenden wirtschaftlichen Probleme zusätzlich.

„Kurzfristig ist eine Anhebung des Preisdeckels zur Bewältigung der Inflationslasten erforderlich. Mittelfristig benötigen wir ein Finanzierungssystem, das die tatsächlichen Kostenentwicklungen sachgerecht abbildet. Und langfristig benötigen wir verlässliche und stabile Rahmenbedingungen, die es Krankenhausträgern ermöglichen, Strukturveränderungen planvoll und kooperativ angehen zu können“, fasst Dr. Aldag die Forderungen der Krankenhäuser zusammen.

Der NKG-Indikator 2022 umfasst neben Aussagen zur wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser viele weitere Ergebnisse zu den Themenfeldern Personal, Ausbildung, Arbeitsplatzattraktivität, Dokumentationsaufwand und zukünftigen Herausforderungen für die Kliniken. Er ist online abrufbar unter: www.nkgev.info/Pressemitteilungen.html

Weitere Informationen:

 - Helge Engelke, Verbandsdirektor der NKG (0511 / 307 63 0)
 - Piet Schucht, Pressesprecher der NKG (0511 / 307 63 19 oder Mobil: 0160 / 224 74 57 )
   E-Mail: schucht@nkgev.de

 Thielenplatz 3 - 30159 Hannover - www.nkgev.info

Zurück